Achtsamkeitsübungen

Wahrnehmen des Augenblicks mit Hilfe von Achtsamkeitsübungen

Im folgenden Abschnitt geht es um Achtsamkeitsübungen, mit deren Hilfe ein bewussteres Wahrnehmen erreicht werden soll.

„Unser wahres Zuhause ist der gegenwärtige Augenblick. Wenn wir wirklich im gegenwärtigen Augenblick leben, verschwinden alle unsere Sorgen und Nöte und wir entdecken das Leben mit all seinen Wundern.“ (Thich Nhat Hanh, in: ‚Heute achtsam leben‘)

Achtsamkeit beinhaltet eine bestimmte innere Haltung:

  • Nicht werten
  • Sich in Geduld üben
  • Anfänger-Geist bewahren
  • Vertrauen entwickeln
  • Nicht nach etwas streben
  • Annehmen können
  • Loslassen können

Ich habe Ihnen hier einige kleine Achtsamkeitsübungen zusammengestellt; vielleicht haben Sie Freude an einem Einstieg in ein bewussteres und konzentrierteres Leben.

1. Übung
Halten Sie inne und achten Sie darauf, was Sie hier und jetzt – in diesem Augenblick – denken, fühlen und tun.

  • Welchen Gedanken haben Sie?
  • Welche Gefühle haben Sie?
  • Mit welchen Tätigkeiten sind Sie beschäftigt?

Antworten Sie in Sätzen, die mit „jetzt“ beginnen:

  • „Jetzt denke ich …“
  • „Jetzt fühle ich …“
  • „Jetzt beschäftige ich mich mit …“

Achtsamkeitsübungen | Dohle auf LangeoogFragen Sie sich: „Könnte ich in diesem Jetzt besser für mich sorgen?“ Spüren Sie in sich hinein, atmen Sie ruhig und entspannt. Nach und nach werden Sie ruhiger und entspannter. Geduldiger können Sie die Antwort Ihres Inneren abwarten. Haben Sie eine Möglichkeit erkannt, (noch) besser für sich zu sorgen? Entscheiden Sie sich, diese in die Tat umzusetzen.

Das Wahrnehmen des gegenwärtigen Augenblicks – des HIER und JETZT – erhöht unsere Fähigkeit zur Achtsamkeit. Mit all unseren Gedanken, Gefühlen und Handlungen befinden wir uns in der gegenwärtigen Situation. So können wir jeden Augenblick zu etwas ganz Besonderen gestalten.

Welche Erinnerungshilfen können Sie sich schaffen, um mehrmals täglich für einen Augenblick innezuhalten und darauf zu achten, was Sie hier und jetzt – in diesem Augenblick denken, fühlen und tun? Vielleicht mögen Sie einen roten Klebepunkt an dem Badezimmerspiegel, an der Kühlschranktür oder an Ihrem Monitor anbringen? Haben Sie eine andere Idee?

2. Übung
Nehmen Sie sich für diese Übung einige Augenblicke Zeit, sich selbst und ihre Umgebung achtsam wahrzunehmen.

Anleitung
Betrachten Sie entspannt und aufmerksam Ihren rechten Zeigefinger. Was fällt Ihnen auf? An Ihrem Fingernagel, an Ihren Fingerknochen, an Ihrer Haut – innen und außen? Nehmen Sie Ihre Gedanken und Gefühle wahr. Ohne sie zu verdrängen oder zu bewerten führen Sie Ihre konzentrierte Aufmerksamkeit wieder sanft zurück und fahren Sie fort, sich auf Ihren rechten Zeigefinger zu konzentrieren.

Was wissen Sie über die Anatomie? Kennen Sie unterschiedliche Bedeutungen von Gesten, die mit dem Zeigefinger durchgeführt werden? Haben Sie Kunstwerke gesehen und in Erinnerung, auf denen entsprechende symbolische Gesten dem Bild Ausdruck verleihen? Was fällt Ihnen noch zum Zeigefinger ein?

Nun schauen Sie sich in Ihrer Umgebung aufmerksam um.

Wählen Sie nach und nach etwas aus, dem Sie Ihre sanfte, entspannte Aufmerksamkeit zuwenden. Das kann ein Lebewesen, eine Situation oder auch ein Gegenstand sein. Wichtig ist, dass Sie Ihre Aufmerksamkeit sanft und entspannt lenken und keinen Druck anwenden. Nehmen Sie auch hier wieder Ihre Gedanken und Gefühle wahr. Und ohne sie zu verdrängen oder zu bewerten führen Sie Ihre konzentrierte Aufmerksamkeit wieder sanft zurück und fahren Sie fort, sich auf Ihren auserwählten Fokus zu konzentrieren.

Fahren Sie nun weiter fort, Ihre Umgebung mit Achtsamkeit wahrzunehmen und bemerken Sie, was Sie dort vorfinden:

  • Welche Farben nehmen Sie wahr?
  • Welche Formen finden Sie vor?
  • Welche Gerüche nehmen Sie wahr?
  • Welche Geräusche hören Sie?
  • Gibt es Blumen um Sie herum?

Wenn Sie Ihre Umgebung mit großer entspannter Wachsamkeit in sich aufgenommen haben, sagen Sie sich, dass Sie die Übung nun langsam in Ihrem eigenen Rhythmus beenden und in den Alltag zurückkehren wollen. Ballen Sie dabei Ihre Hände zu Fäusten, und räkeln und strecken Sie sich.

3. Übung
Steinmeditation
Sammeln Sie auf Ihren Spaziergängen Steine, die Ihnen gefallen und wählen Sie für folgende Meditation einen dieser Steine aus.

Anleitung für die Steinmeditation
Nehmen Sie eine angenehme Lage ein. Ist es Ihnen jetzt bequem oder möchten Sie an Ihrer Lage noch etwas verändern?

Nun nehmen Sie Ihren Stein in die Hand und betrachten Sie ihn mit intensiver Aufmerksamkeit.

  • Wie sieht seine Oberfläche aus?
  • Welche Farbe(n) hat er?
  • Welche Bruchstelle(n), welche Rundung(en) und welche Kante(n) weist er auf?
  • Welchen Geruch strömt Ihr Stein aus?
  • Welches Geräusch geht von Ihrem Stein aus?
  • Welches Gewicht hat Ihr Stein?

Nun schließen Sie Ihre Augen und erspüren Sie Ihren Stein mit geschlossenen Augen. Wie fühlt sich seine Oberfläche an? Können Sie seine Farbe(n) erspüren? Erkennen Sie seine Bruchstelle(n), Rundung(en) und Kante(n)? Können Sie Ihren Stein riechen? Hören Sie Ihren Stein? Erleben Sie sein Gewicht?

Begeben Sie sich nun auf eine kleine Zeitreise mit Ihrem Stein. Was glauben Sie, wo Ihr Stein herkommt? Wie alt wird er wohl sein? Was wird er in seiner Zeit alles erlebt haben?

Und schauen Sie sich auch seine mögliche Zukunft an! Was wird mit Ihrem Stein zukünftig geschehen? Welche Ereignisse werden auf ihn treffen?

Sagen Sie sich nun, dass wie die Übung beenden und kehren Sie wieder ins Hier und Jetzt zurück. Ballen Sie dabei Ihre Hände zu Fäusten, auch die Hand, in der sich Ihr Stein befindet. Beginnen Sie sich zu räkeln und zu strecken und öffnen Sie nun in Ihrem Rhythmus wieder Ihre Augen.

Betrachten Sie noch einmal Ihren Stein und verabschieden Sie sich von ihm – dankbar für diese meditative Erfahrung.

4. Übung
Atem-Achtsamkeit – Der Atem und das Kultivieren der Achtsamkeit
„Einatmend, kehre ich zurück,
zu der Insel meines Selbst,
dort sind wunderschöne Bäume,
dort ist Wasser und da sind Vögel,
dort gibt es Sonne und frische Luft.
Ausatmend, fühle ich mich geborgen.“ (Zenmeister Thich Nhat Hanh in ‚Nothing to do, nowhere to go‘)

Thich Nhat Hanh weist im Zusammenhang mit der Kultivierung der Achtsamkeit auf die entscheidende Rolle des Atems hin.

Der Atem ist unteilbar mit allen physischen und psychischen Prozessen des Menschen verbunden. Tiefes und bewusstes Atmen verhilft uns täglich zu mehr Konzentration und Lebenskraft. Die folgende Übung trägt dazu bei, sich Ihr Atmen zu vergegenwärtigen. Sie ist im Sitzen, Liegen oder auch stehend durchführbar.

Anleitung für die Atem-Achtsamkeit:
Achten Sie darauf, dass Ihre Wirbelsäule der ganzen Länge nach aufgerichtet ist.

Lassen Sie Ihre Schultern sich ganz entspannen. Ihre Handinnenflächen sind geöffnet und weisen im Sitzen oder Liegen nach oben, im Stehen nach vorne. Schließen Sie nun Ihre Augen.

Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihren Atem.

Nehmen Sie einen tiefen Atemzug. Spüren Sie, wie beim Einatmen die Luft in Ihren Körper hineinströmt, Ihre Bauchdecke sich hebt und der Atem sich in Ihrem Körper ausdehnt. Lassen Sie die Atemluft ohne Anstrengung ganz in Bauch und Becken hineinströmen.

Beim Ausatmen spüren Sie, wie die Luft, vom Körper erwärmt, wieder hinaus fließt und Ihre Bauchdecke sich senkt.

Beim nächsten Einatmen legen Sie beide Hände mit den Handinnenflächen auf Ihren Bauch. Spüren Sie nach, wie sich die Bauchecke beim Einatmen hebt und beim nächsten Ausatmen wieder senkt.

Gedanken, die auftauchen, lassen Sie wie Wolken am Himmel vorbeiziehen. Sie nehmen sie wahr, ohne sie zu bewerten und festzuhalten.

Wiederholen Sie diese Übung einige Minuten lang.

Sagen Sie sich dann, dass Sie die Übung beenden und ins Hier und Jetzt zurückkehren wollen.

Ballen Sie Ihre Hände zu Fäusten, beginnen Sie sich zu räkeln und zu strecken und öffnen Sie Ihre Augen in Ihrem Rhythmus.

Um die Effektivität der Achtsamkeit im vollen Umgang nutzen zu können, ist es notwendig, täglich zu üben.

© Dr. Evelin Fräntzel

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